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Weinmarkt und Mode

Den nachstehenden Text habe ich im Jahr 2001 anlässlich des 50. Bergsträßer Weinmarkts geschrieben. Er ist nicht sehr gehaltvoll. Sollte er auch nie sein.

 

Wer die Berichterstattung zu 49 Bergsträßer Weinmärkten durchsieht, bekommt auch einen Einblick in die Kleidungsmoden eines halben Jahrhunderts. Bei den Herren tat sich da nicht so viel, zumal die Bilder aus den 50-er und 60-er Jahren in der Regel die „Offiziellen“ zeigen, deren Anzug-Hemd-Krawatte-Kombinationen wahrscheinlich auch dann nicht viel interessanter würden, wenn man sie in Farbe sähe.

Ab Mitte der 70-er Jahre wagten die Heppenheimer Bürgermeister es, auch mal ohne Krawatte auf dem Weinmarkt zu erscheinen. So leger wie die Herren Kunz und Obermayr sind deren Vorgänger Metzendorf und Holzamer zumindest auf keinem Zeitungsbild zu sehen gewesen. Nun soll man männliche Eitelkeit nicht unterschätzen, aber bei den obligatorischen Gruppenbildern mit Weinköniginnen war sicher allen Beteiligten klar, wer die Blicke auf sich ziehen wird.

Das Verhältnis königlicher Hoheiten zur Mode ist ja zuweilen nicht ohne Schwierigkeiten; steht doch die Monarchie für Dauer und Stabilität, die Mode für Wechsel und Veränderlichkeit. Das trägt ebenso erlesen wie langweilig gewandeten Königinnen hin und wieder unerfreuliche bis taktlose Bemerkungen der einschlägigen Kommentatoren ein, die zu ignorieren sich für Angehörige des Hochadels von selbst versteht.

Auch Weinköniginnen müssen bei ihren zahlreichen repräsentativen Pflichten stets angemessen gekleidet sein. Und da es sich beim Weinbau um Landwirtschaft handelt, war ein mehr oder minder deutlicher Bezug zur regionalen Festtagstracht erwünscht. Mit dem zunehmenden Verschwinden der Trachten (deren jeweilige Bedeutung inzwischen außerhalb einschlägiger Vereine und volkskundlicher Institute kaum noch jemand kennt) hatte sich als Ersatz das Dirndl eingebürgert.

Das Dirndl geht nun zwar in seinen Formen auf die alpenländische Tracht zurück, deren Trägerinnen in der Regel ein eher gering entwickeltes Verhältnis zum Weinbau haben, aber es steht nun mal für das Ländliche, Volkstümliche. Und insofern steht es einer Weinkönigin nicht schlecht. Zugleich erlaubt es ganz erhebliche Variationen. Vor allem bei der Länge des Rocks.

Der Mode entsprechend ließen Elisabeth Freiberger und ihre Nachfolgerinnen in den 50-er Jahren noch viel Brokat sehen und wenig Bein. Doch mit den Jahren verschwand der Brokat zugunsten leichterer Stoffe, und die Röcke wurden kürzer. Zu Beginn der 70-er Jahre, es war die Zeit des Minirocks, war es dann auch für Weinköniginnen angemessen, viel Bein und wenig Textil zu zeigen.

Doch die Moden wechseln, die Röcke wurden wieder länger, und die Anlehnung an Formen der Tracht ist weniger eng als in früheren Zeiten. Schließlich ist auch der Weinbau keine museale Angelegenheit. Vielleicht wird ja der schnörkellosen Eleganz, die die Deutsche Weinkönigin Susanne Völker bei der Eröffnung des 48. Bergsträßer Weinmarkts zeigte, die Zukunft gehören. Zumindest für einige Zeit. Denn Mode bedeutet Wechsel.