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Eine redaktionell gekürzte Fassung dieses Texts erschien in der Zeitschrift des Landessportbunds Hessen: Sport in Hessen, Nr. 12/2016, 11. Juni 2016

 

 

Kein neues Thema: Sportvereine und gesellschaftliche Integration

 

Die Integration von Flüchtlingen ist derzeit eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe, deren Bewältigung nur durch das Engagement einer großen Zahl ehrenamtlich Tätiger möglich erscheint. Besonders angesprochen werden hier immer wieder die Sportvereine. Sie verfügen bereits über eine durch langjährige praktische Erfahrung gewonnene Kompetenz; und dies nicht nur wegen des bereits seit 25 Jahren vom Bundesministerium des Innern geförderten Programms „Integration durch Sport“.

Auch die zuweilen großen Erwartungen der Politik sind nicht neu. Sie lassen sich beispielhaft ablesen an den Ansprachen und Grußworten, mit denen der TV Heppenheim und die gesellschaftliche Wirkung seines Engagements zu verschiedenen Jubiläen gewürdigt wurden. Das Thema Integration spielte da keine geringe Rolle.

Bereits zur Eingliederung der mit Ende des Zweiten Weltkriegs nach Westdeutschland kommenden Flüchtlinge und Vertriebenen hatten die örtlichen Sportvereine einen wesentlichen Beitrag geleistet. Und damals baute die Kommunalpolitik darauf, dass die Vereine sozial in zweifacher Weise stabilisierend wirkten: Einmal durch Integration der Neubürger, die in den Vereinen Menschen kennenlernen und neue Freundschaften schließen konnten. Zum Zweiten aber auch für die Einheimischen durch das Angebot erlebbarer Kontinuität in Zeiten großer Unsicherheit; ein wichtiger Aspekt, der in der aktuellen Diskussion vielleicht etwas zu kurz kommt.

Diese Erwartungen klangen an, als Bürgermeister Otto Holzamer 1954 zum 90-jährigen Bestehen des TVH vom „anfangs so verkannten Turngedanken unseres deutschen Turnvaters Jahn“ schrieb, der in Heppenheim „bis auf den heutigen Tag trotz aller Schwierigkeiten und Schwankungen des Zeitgeschehens immer wieder gefördert und hochgehalten“ worden sei.

Auch wenn zehn Jahre später der millionste „Gastarbeiter“ in Deutschland begrüßt wurde, stand die Integration dieser Zuwanderer damals nicht im Zentrum des Interesses. Noch pflegten beide Seiten – die Deutschen wie die Zuwanderer – die Illusion, es handle sich nicht um Einwanderung auf Dauer, sondern bloß um zeitlich befristete Aufenthalte. So ließen sich schwierige Entscheidungen auf der persönlichen ebenso wie Weichenstellungen auf der politischen Ebene vertagen.

Was nicht heißt, dass es aus politischer Sicht bei der Tätigkeit der Sportvereine jetzt „nur“ um Sport gegangen wäre. In seinem Grußwort zum 100-jährigen Bestehen des TV Heppenheim lobte der Bergsträßer Landrat Ekkehard Lommel die „Bemühungen um eine gute jugendpflegerische Betreuung des Nachwuchses.“ Auf diesem „wichtigen Gebiet der Erziehung und Bildung junger Menschen“ habe der Verein erfolgreich gewirkt.

Den Schwierigkeiten einer Integration der jungen Generation in die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen kam in jener Zeit wachsende Aufmerksamkeit zu. Die (noch überwiegend aus dem Ausland stammenden) Bilder langhaariger Musiker, die tausende Teenager zu ekstatischem Kreischen brachten, erschienen vielen Erwachsenen mehr als befremdlich. Die dem Feiern nicht abgeneigte, aber eben auch diszipliniert trainierende Turnerjugend war dazu das wünschenswerte Kontrastprogramm.

Wie sich zeigen sollte, waren lange Haare und das Hören von Beat-Musik durchaus mit exzellenten sportlichen Leistungen vereinbar – auch wenn der Anblick mancher jungen Athleten auf Trainer gelegentlich provozierend wirkte. Gerade darin bestand aber auch hier die Leistung der Sportvereine: Menschen aus einer anderen (in diesem Fall: Jugend-)Kultur zu integrieren. In der kleinen Festschrift zum 110-jährigen Bestehen des TVH lobt der Landrat deshalb wiederum (und mit den gleichen Worten) die Jugendarbeit und auch Bürgermeister Kunz dankt dem Verein für sein diesbezügliches Engagement. Und der Bürgermeister spricht auch von der „zähe[n] und oft genug beschwerliche[n] Verfolgung dieses Kurses.“ Dass die Sache nicht einfach war, wusste man schon.

1989, zum 125-jährigen Bestehen des TVH, wurde dann die Integration von Zuwanderern erneut hervorgehoben. „Durch seine Offenheit für alle sportlich Engagierten trägt er dazu bei, Neubürger in das Gemeinschaftsleben unserer Stadt einzubeziehen“, schrieb Bürgermeister Ulrich Obermayr in einem Grußwort. Es ging dabei nicht primär um Einwanderer, sondern um Zugezogene aus anderen Teilen Deutschlands. Den wenige Monate später erfolgenden Fall der Mauer und die folgende Binnenwanderung in Deutschland konnte noch niemand vorhersehen. Die Sportvereine haben auch in dieser schwierigen geschichtlichen Situation ihre Integrationsleistung unter Beweis gestellt.

Zur 150-Jahr-Feier des Turnvereins Heppenheim 2014 schrieb Landrat Matthias Wilkes in einem Grußwort: „Die Mitglieder des Turnvereines Heppenheim waren in all den Jahren seines Bestehens bemüht, die Ideale des Sports zu pflegen und zu wahren. Vor allem aber ihr Beitrag zum gesellschaftlichen Leben der Heimatstadt Heppenheim ist anzuerkennen.“ Und dies nicht nur bei Jubiläumsfeiern.